"Ich wünsche Ihnen aufmerksame Dankbarkeit"

"Ich wünsche Ihnen aufmerksame Dankbarkeit"

"Ich wünsche Ihnen aufmerksame Dankbarkeit"

# Wir in der Welt

"Ich wünsche Ihnen aufmerksame Dankbarkeit"

  Wir leben in aufwühlenden Zeiten. Die Bedrohung durch Covid-19, die russische Invasion in der Ukraine, die Angst vor einem Winter ohne Gas und warmes Wasser und die Realität von zu warmen und zu trockenen Sommermonaten aufgrund des durch uns Menschen verursachten Klimawandels machen etwas mit uns und unserem Gemüt.

Das alles kann uns mehr beschäftigen als uns lieb ist. Bewusst oder unbewusst.

Die Dankbarkeit, die normalerweise im Herbst, wenn es auf Erntedank zugeht im Mittelpunkt steht, gerät so schnell aus dem Blick. Statt Dankbarkeit erlebe ich zurzeit oft eine gespannte Gereiztheit. Bei mir und bei anderen.

Wie es anders gehen kann, zeigt eine kleine Geschichte:

Es war einmal ein Bauer, der steckte jeden Morgen eine Handvoll Bohnen in seine linke Hosentasche. Immer, wenn er während des Tages etwas Schönes erlebt hatte, wenn ihm etwas Freude bereitet oder er einen Glücksmoment empfunden hatte, nahm er eine Bohne aus der linken Hosentasche und gab sie in die rechte. Am Anfang kam das nicht so oft vor. 


Aber von Tag zu Tag wurden es mehr Bohnen, die von der linken in die rechte Hosentasche wanderten. Der Duft der frischen Morgenluft, der Gesang der Amsel auf dem Dachfirst, das Lachen seiner Kinder, das nette Gespräch mit einem Nachbarn – immer dann wanderte eine Bohne von der linken in die rechte Tasche.

Bevor er am Abend zu Bett ging, zählte er die Bohnen in seiner rechten Hosentasche. Und bei jeder Bohne konnte er sich an das positive Erlebnis erinnern. Zufrieden und glücklich schlief er ein – auch wenn er nur eine Bohne in seiner rechten Hosentasche hatte.


PSALM 107: DANKET DEM HERRN;

DENN ER IST FREUNDLICH,

UND SEINE GÜTE WÄHRET EWIGLICH.


Die Geschichte des Bauern mit den Bohnen zeigt mir, wie es gehen kann. Mindestens am Abend jeden Tages nach der Tagesschau noch eine private Tagesschau zu machen: Auf meinen Tag zurückblicken, Gott um offene Augen bitten und dann wahrnehmen, was alles Gutes drin war in diesem Tag. Kostbare Momente, wertvolle Begegnungen, wohlschmeckende Mahlzeiten, große Auswahl, gute Worte, ein weiterer Tag, auf den ich heute zurückblicken darf.

Vielleicht muss man sich das aufschreiben, sich dafür eine App (die es dafür bereits gibt) aufs Smartphone laden oder dem eigenen Gedächtnis anders auf die Sprünge helfen. Schließlich übersehe ich vieles in meinem Alltag voller Sorgen und Trott.

Mit der Dankbarkeit ist es wie im Zweizeiler von Andrea Schwarz:

Rückblickend auf meinen Tag stelle ich fest, heute keinen Vogel gehört zu haben, es hat mit Sicherheit nicht an den Vögeln gelegen.

Wer die Vögel nicht hört, kann gar nicht auf die Idee kommen, für sie zu danken. Dankbarkeit beginnt mit der Aufmerksamkeit!

Diese dankbare Aufmerksamkeit wünsche ich Ihnen in der kommenden Zeit.

Philipp Müller, Pfarrer in der ev.-luth. Kirchengemeinde Radevormwald 

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